METRO - Die Trilogie

Geschrieben von Ralph Troppmann am Mittwoch, 22. Januar 2020 in Literatur

Dimitry Glukhovsky: Metro, Die Trilogie
Heine, München: 2019
ISBN: 978-3-453-32062-8
1.613 Seiten

An dem Schmöker konnte ich in dem neuen Buchladen einfach nicht vorbeigehen: ein schwarzer Block, über 2 Kilo schwer, massiv gebunden und schlicht-elegant in goldenen Lettern mit dem Titel und einer militärischen Gasmaske bedruckt sowie einem Lesebändchen als Sahnehäubchen - Beginn eines reizvollen Abenteuers...

Den Titel brachte ich noch dunkel mit einem Computerspiel zusammen, von dem ich mal gelesen hatte. Der Rückentext spricht von einer Dystopie, es ist 2033, die Erde von einem Atomkrieg zerstört - endlich mal wieder near future science fiction klassicher Art ohne Zombies - und nur einige Menschen haben in der Moskauer Metro überlebt. Die Trilogie enthält die Bände 2033, 2034 und 2035 sowie Das Evangelium nach Artjom und Das Ende der Straße als zwei exklusive Kurzgeschichten.

Das Setting umfasst die Moskauer Untergrundbahn, wo sich in den verschiedenen Stationen unterschiedlichste Gruppen von Menschen Jahre nach dem Atomkrieg eingerichtet haben und meist mehr schlecht als recht durchschlagen. Die verschiedenen Fraktionen überblickt man gut in dem farbigen Plan, der in den Umschlagseiten abgedruckt ist: Kommunisten, Händler, Gelehrte und das Vierte Reich, um nur einige zu nennen. Die Stationen sind durch die U-Bahnschächte verbunden, wobei nicht mehr alle Wege offenstehen - Zerstörungen oder politische Grenzen verhindern den direkten Weg. Später kommt noch die zerstörte Stadt Moskau dazu.

Unser Held (oder eigentlich Antiheld) Artjom lebt an der Station WDNCh als junger Mann, der als Kind vor der Zerstörung gerettet wurde, bei einem Mann, der die Rolle seines Vaters übernommen hat. Die Station betreibt Pilz- und Schweinezucht um die benötige Währung der Metro zu verdienen: Patronen. Die Welt ist nämlich durchaus archaisch geprägt, durch die Katastrophe sind die meisten Menschen auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse zurückgefallen, Gewalt ist ein nötiges Mittel zum Erhalt der Existenz.

Bei einer unbedachten Aktion mit Freunden wagt Artjom einen eigentlich verbotenen Ausflug an die Oberfläche, die noch stark verstrahlt ist und daher auch allerlei gefährliche, mutierte Wesen beherbergt. Bei der Rückkehr lässt sich das hermetische Tor nicht mehr ganz schließen, was später für mysteriöse Vorkommnisse sorgt. Als ein Stalker erscheint, das sind Menschen, die schwer bewaffnet und in Schutzanzügen die Oberfläche nach nützlichen Dingen durchstreifen, erkennt dieser das Problem und schickt Artjom auf eine Mission, eine Nachricht an jemanden an einer anderen Station zu bringen. Die abenteuerliche Reise mit vielen Wendungen wird im ersten Teil beschrieben, unser Protagonist entwickelt sich und begegnet einigen anderen Menschen, die ihn ein Stück oder auch viel weiter begleiten.

Mehr verrate ich nicht, sonst leidet die Spannung.
Diese Art von Romanen aus russischer Feder finde ich persönlich sehr anregend, da viel unter den Protagonisten diskutiert wird, Ideologien einen höheren Stellenwert als in der üblichen, westlich geprägten Literatur haben und auch eine gewisse, ich nenne es mal "Grundbrutalität" mitschwingt, die den Wert des Individuums gegenüber dem Volk nicht so sehr hoch anrechnet.
Im Verlauf erkennt man durchaus auch Parallelen zum großen Vaterländischen Krieg, aber auch zum kalten Krieg, der selbst und mit seiner Eskalation als globalem Atomkrieg eine wichtige Rolle in diesen Romanen spielt. Das Sowjetsystem und dessen Niedergang und Verdrängung durch Kapitalisten, aber auch der Erzfeind Amerkia wird im späteren Verlauf zitiert und eingearbeitet. Wichtig ist auch das Setting selbst mit der atomar verstrahlten Apokalypse, wer Wasteland oder The Day After kennt, wird verstehen, was ich meine.

Insgesamt ist auch dieses Buch nicht für jede und jeden, es geht manchmal etwas derb zu, wobei sich unser Antiheld gerade zum Ende hin persönlich stark entwickelt. Gerade im dritten Band hatte ich stellenweise den Eindruck, dass auch der Autor mit den Pilzen, die hier überall als Lebensmittel gezüchtet werden, auf die eine oder andere Art etwas zu viel Kontakt hatte... aber das gute dutzend Seiten muss man halt überlesen. Vielleicht steckt darin aber auch eine tiefere Reflektion des Sinns oder Unsinns menschlichen Daseins, wer weiß das schon? Ich kriege auch nicht immer alles mit.

Ein Bestseller wird das nicht, aber für Freunde des Genres durchaus zu empfehlen. Lest einfach mal ein paar Seiten rein, wenn ihr es im Laden findet.

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NSA

Geschrieben von Ralph Troppmann am Sonntag, 5. Januar 2020 in Literatur

Andreas Eschenbach: NSA
Köln, Lübbe: 2018
ISBN: 978-3-7857-2625-9

NSA - Nationales Sicherheits-Amt ist der Titel dieses Buches, das mich völlig überzeugt hat.

Es geht um eine alternative Realität, die aber durchaus plausibel dargestellt wird und sehr realistisch wirkt: die Handlung spielt in der Zeit vor und während des zweiten Weltkriegs in Deutschland. Es gibt bereits ein paar Dinge, die eigentlich erst später weite Verbreitung erfuhren: Komputer, Mobiltelefone und ein Weltnetz. Dies ist das Setting, das gut eingeführt wird und klare Parallelen zu unserer heutigen Situation aufzeigt. Der Autor ist sich nicht zu schade, dieses Spiel mit dem was-wäre-wenn sogar in seine Handlung zu integrieren.

Die beiden Hauptpersonen sind Helene, eine Programmstrickerin (Programmieren ist schließlich Frauenarbeit), und der Analytiker Eugen. Beide arbeiten für das Nationale Sicherheits-Amt, das analog der heutigen NSA die Kommunikation der Bürger überwacht. Während dies anfänglich noch recht harmlos klingt, bekommen die Konsequenzen dieser Fähigkeiten bereits in der Einleitung dramatische Ausmaße - die geschickte Kombination von an sich harmlosen Einzeldaten führt zur Entdeckung versteckter Juden irgendwo im Reich, die daraufhin umgehend verhaftet werden. Nach diesem Vorgriff auf den Verlauf spinnt der Autor seine Geschichte spannend und mit Blick fürs Detail von zuerst harmlosem Geplänkel zu Aktionen mit enormer Tragweite. Man fiebert direkt mit, ob die Personen der Überwachung entkommen können.

Ich habe dieses Buch in zwei Tagen gelesen, so spannend fand ich es! Die Entwicklung verläuft schnell, immer wieder findet man Parallelen zur heutigen Realität. Der Autor baut geschickt Personen und Situationen ein, die man unter anderem aus dem Geschichtsunterricht kennt: NS-Größen wie Himmler, Physiker wie Heisenberg oder Einstein, sogar Hitler kommt vor. Diese Bezüge, aber auch die Bedrohung durch den NS-Apparat, der sich auch die Protagonisten nicht entziehen können, in Verbindung mit ganz aktuellen Themen wie Telekommunikationsüberwachung oder Abschaffung des Bargelds schaffen einen besonders eingänglichen Reiz der definitiv zum Nachdenken anregt. Auch für Nicht-Techniker ist es gut verständlich, das Thema geht ja alle an.

Beide Hauptprotagonisten haben ihr eigenes Geheimnis und für beide nimmt es einen unerwarteten Verlauf. Das Ende enthält eine dramatische Wendung, die aus meiner Sicht etwas weit gegriffen, aber auch nicht völlig realitätsfern ist.

Das Buch stelle ich mit auf jeden Fall dauerhaft ins Regal, gleich neben Cryptonomicon von Neal Stephenson...

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