Brian W. Aldiss: Der lange Nachmittag der Erde

Geschrieben von Ralph Troppmann am Sonntag, 20. Februar 2022 in Literatur

Brian W. Aldiss: Der lange Nachmittag der Erde. Heyne, München 2021 (1960). ISBN 978-3-453-32043-7, 431 Seiten

Dieser Klassiker von Brian Aldiss aus dem Jahr 1960 hat es in sich, Heyne hat die Neuauflage mit einem Vor- und Nachwort versehen, das dem Leser hilft, die doch sehr ungewöhnliche Geschichte besser einzuordnen. Ich persönlich finde, die Geschichte lohnt sich zu lesen, man muss sich aber auch darauf einlassen.

Das Szenario spielt in ferner Zukunft, die Erde dreht sich nicht mehr und die Entfernung zum Mond hat sich dramatisch verkürzt. Es gibt eine Tagseite, auf der die Handlung überwiegend spielt, eine unbekannte Nachtseite und ein Teil der Handlung findet auf dem Mond statt. Die Struktur des Leben auf der Erde hat sich verändert, Tiere und Menschen wurden von den Pflanzen im Wortsinne überwuchert. Genaugenommen haben die Pflanzen die Herrschaft über die Erde, sie bedecken die Tagseite von Erde und Mond und haben sich weiterentwickelt in dem Sinne, dass sie auch die Funktionen und Verhaltensweisen von Tieren nachahmen. So gibt es Pflanzen, die sich wie riesige Spinnen verhalten oder auch Schnappklappbäume - viele der Wesen werden mit solchen ungewöhnlichen Namen bezeichnet. Die Menschen existieren in einer nur noch deutlich zurückentwickelten Form, sie leben im Dschungel, von der ehemaligen Zivilisation ist zunächst nichts mehr zu erkennen. Das Leben ist geprägt von ständigen Todesgefahren und spielt sich in kleinen Familiengruppen ab.

In einer solchen Familiengruppe treffen wir auf Gren, der als Männchen in einem Matriarchat zwar nichts zu sagen hat, aber trotzdem für die Fortpflanzung und somit den Fortbestand der Gruppe wichtig ist. Nur kollidiert das mit seiner Neugier und er nimmt trotzdem eine aktive Rolle ein. Dies bringt ihm erst einmal Ärger in der Gruppe ein, führt ihn aber auch auf eine lange und überraschende Reise über die Welt. Dabei begegnet er vielen fantastischen Kreaturen und Konzepten, die mich allesamt zum Nachdenken anregten.

Wie gesagt, das Buch ist beileibe kein Mainstream und erscheint konzeptionell auch manchmal etwas aus der Zeit gefallen. Aber gerade das, finde ich, hat auch schon wieder einen besonderen Reiz. Denn bestimmte Themen, etwa Gesellschaftskonzepte oder das Streben nach Erkenntnis (umgekehrt auch der Wunsch, alles möge so bleiben wie es ist), sind zeitlos.

Meine Bewertung ist daher sehr positiv, auch wenn das Buch sicher nicht jedem gefallen wird. Ich empfehle daher, erst mal reinzublättern.

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David Gerrold: Hella

Geschrieben von Ralph Troppmann am Sonntag, 13. Februar 2022 in Literatur

David Gerrold: Hella. DAW Books, New York 2022. ISBN 978-0-7564-1658-4, 441 Seiten

Wow, endlich mal wieder ein neuartiges Setting, gewürzt mit einigen Ideen zu unverkrampfteren Gesellschaftsentwürfen. Worum geht es?

Kyle lebt mit seiner Mutter und seinem Bruder auf Hella, einem Planeten, der von menschlichen Kolonisten besiedelt wurde. Wobei das auf Hella nicht ganz so einfach ist - der Planet hat einige Besonderheiten. So ist die Gravitation niedriger und der Sauerstoffanteil in der Atmosphäre höher als auf der Erde. Folglich ist die Flora und Fauna anders ausgeprägt, größer halt. Viel größer. Bäume werden schon mal drei Meilen hoch, die einheimischen Saurier riesig. 
Durch die klimatisch extremen Jahreszeiten ziehen die Menschen regelmäßig zwischen Sommerland und Winterland um.

In dieser Situation muss jeder mit anpacken, da die Kolonie noch klein ist, wird jede Hilfe gebraucht. Kyle ist, nun ja, etwas anders, er denkt sehr schnell, dafür tut er sich mit Emotionen und den Zwischentönen menschlicher Kommunikation schwer. Doch für ihn findet sich eine große Aufgabe: er dokumentiert und beschreibt das Leben auf Hella für die neuen Kolonisten, die sich mit einem Raumschiff im Anflug befinden. Denn, so ergab die Erfahrung, viele der anfänglichen Verluste sind der Unerfahrenheit von Neuankömmlingen geschuldet.

Doch auch in der kleinsten Ansiedlung von Menschen kommt es zu Fehlentwicklungen, die sich hier langsam aber deutlich entwickeln und das Zusammenleben in der bisherigen, fragilen Form stark gefährden. Kyle spielt eine große Rolle im Versuch, das zu verhindern.

Allein die Beschreibung der Welt Hella ist schon interessant. Noch spannender fand ich die so nebenbei beschriebene Gesellschaftsordnung, die auch familiäre Gemeinschaften in gleichgeschlechtlicher Weise, aber auch mit mehreren Müttern oder Vätern ermöglicht. Ja sogar das eigene Geschlecht lässt sich verändern, auf Wunsch sogar mehrfach. In der beschriebenen Gesellschaft kommt das sehr nachvollziehbar und schon fast gewöhnlich herüber, für mich durchaus ein Gedankenanstoß.

Ich kann dieses Buch uneingeschränkt empfehlen.

 

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