Annie Jacobsen: 72 Minuten bis zur Vernichtung. Atomkrieg. Ein Szenario

Geschrieben von Ralph Troppmann am Samstag, 15. März 2025 in Literatur

Annie Jacobsen: 72 Minuten bis zur Vernichtung. Atomkrieg. Ein Szenario. Heyne, München 2024. ISBN: 978-3-453-21878-9, 400 Seiten

Ein gewisses Grundinteresse habe ich an diesen Themen, Kindern des kalten Krieges mit dem ständigen Damoklesschwert eines atomaren Krieges und allgegenwärtigen militärischen Aktivitäten im Hinterkopf geht es vermutlich ähnlich. Um so froher waren wir doch, dass diese Themen Vergangenheit schienen. Die weltpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre lassen jedoch einen Rückschritt befürchten.

Umso wichtiger finde ich, sich die Schrecken und Konsequenzen eines Atomkrieges immer wieder vor Augen zu führen. Damals gab es einige bekannte Bücher und Filme, die das Ergebnis und die letztendliche Sinnlosigkeit der atomaren Auf- und Wettrüstung eindrücklich zeigten. Einen vergleichbaren Ansatz wählt hier Annie Jacobsen. Sie beschreibt einen wahrscheinlichen Ablauf vom Start der ersten Rakete mit nuklearem Sprengkopf bis zur quasi unaufhaltsamen Vernichtung der Zivilisation - was, wie der Titel vorwegnimmt, gerade einmal 72 Minuten dauern wird.

Die Abläufe und verwendeten Prozesse und Techniken sind zum Teil bereits allgemeines Kulturwissen, zum Teil akribisch aus Archiven recherchiert, bei denen die Geheimhaltungsfristen abgelaufen sind. Da trotzdem noch vieles geheim ist und bleibt, wurden auch Aussagen von früheren Akteuren des kalten Krieges eingeflochten. Diese Quellen, Anmerkungen und Verzeichnisse allein machen schon über 50 Seiten des Buches aus.

Genau wird man es nie vorhersagen können, doch die fundierte Beschreibung und wahrscheinliche Abläufe lassen vermuten, dass es tatsächlich so geschehen könnte. Besonders erschreckend ist hier, dass die Rakete zwar von Nordkorea gestartet wird, der Gegenschlag der USA dann von aber Russland als direkter Angriff fehlinterpretiert wird.
Sehr gut fand ich den Passus, dass ein Präsident als Oberbefehlshaber und alleiniger Entscheider über den Atomwaffeneinsatz gar nicht auf so etwas vorbereitet wird und auch nicht vorbereitet werden kann. Es muss in wenigen Minuten und auf Basis unvollständiger Informationen eine Entscheidung getroffen werden, die unübersehbare Auswirkungen hat. Aus diesem Grund gibt es lange vorab definierte Prozeduren, die eine Eskalation allerdings kaum vermeiden lassen. Wenn die Entscheider nicht miteinander kommunizieren können oder wollen, ist eine friedliche Lösung nicht mehr möglich.

Für mich lesenswert - man kann aus der Geschichte vieles lernen, wenn man es denn will.

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Kris Brynn: The Shelter. Zukunft ohne Hoffnung

Geschrieben von Ralph Troppmann am Samstag, 15. März 2025 in Literatur

Kris Brynn: The Shelter. Zukunft ohne Hoffnung. Bastei Lübbe, Köln 2018. ISBN: 978-3-7413-0131-5, 326 Seiten

Erneut ein dystopischer Near-Future-Roman, diesmal spielt die Handlung um London in einer Zeit nach einer verheerenden Krankheit.
Die Grenzen wurden abgeschottet und da es kein Heilmittel gab, wurde ein riesiges Habitat gebaut, in das die Infizierten gebracht wurden. Die Gesunden werden ständig biometrisch überwacht, um auch sie beim kleinsten Anzeichen in das Habitat zu bringen.

Unser Held Rick lebt in London, allerdings wurde auch seine Freundin nach ersten Krankheitzeichen abgesondert. Die Regierung versorgt das Habitat, kümmert sich aber sonst nicht weiter um dessen Bewohner.
Eines Tages wird auch Rick von den zur Zeit der Handlung allgegenwärtigen Androiden in das Habitat gebracht, obwohl er gar nicht krank ist. 
Die Situation im Habitat ist ihm zunächst unklar, doch schnell stellt er fest, dass im Habitat Dinge vorgehen, über die von Außen niemand weiß.

Rick soll eine bestimmte Rolle einnehmen, und alles scheint sich für ihn gut zu entwickeln. Doch nach Kontakt mit verschiedenen Fraktionen ist sich Rick nicht mehr so sicher und die Lage spitzt sich zu, um auf ein dramatisches Finale zuzulaufen.

Die Geschichte fand ich durchaus interessant, manchmal etwas vorhersehbar. Insgesamt ergibt sich ein Szenario, das in mehreren Aspekten zum Nachdenken anregt. Gerade das Verhalten der Androiden ist unerwartet, manches Detail ist mir mangels klassischer britischer Bildung vielleicht auch noch entgangen - Shakespeare spielt eine gewisse Rolle. So ganz war mir am Ende nicht klar, ob es sich um eine gesellschaftskritische Dystopie oder doch um einen Thriller handeln soll - insgesamt jedoch kein schlechtes Buch, das für mich noch etwas ausbaufähig erscheint.

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