Bethany Clift: Die Letzte macht das Licht aus

Geschrieben von Ralph Troppmann am Sonntag, 28. November 2021 in Literatur

Bethany Clift: Die Letzte macht das Licht aus. Heyne, München 2021. ISBN 978-3-453-27342-9, 463 Seiten

Ein starker Roman, der auf mehreren Ebenen eine außergewöhnliche Episode im Leben der Protagonistin erzählt.
Die Geschichte beginnt im Herbst 2023 damit, dass die mit ihrem Mann in London lebende Erzählerin von 6DM berichtet, einer tödlichen und sich rasend schnell ausbreitenden Seuche. Von den ersten Symptomen bis zum Tod vergehen 6 Tage, daher 6DM - six days mortal. Nach nur wenig Verzögerung kommt das Virus auch auf der Insel an, obwohl Corona-erprobte Maßnahmen ergriffen wurden: Lockdown, Grenzschließungen (hier unter anderem in Form der Sprengung des Kanaltunnels). 

Die Heldin beschreibt den Niedergang der Menschheit auch immer wieder in Form von kurzen Nachrichten-Headlines. Auch vor ihrem Umfeld macht die Seuche keinen Halt: Freunde, Kollegen, Nachbarn, ja sogar ihr eigener Mann sterben. Von jetzt an ist sie auf sich allein gestellt!
Anfangs kann sie sich noch recht einfach versorgen, es gibt Vorräte in Geschäften, für kurze Zeit gibt es auch noch Strom und Internet. Doch schnell versagen auch diese Annehmlichkeiten und sie erkennt, dass sie als Stadtbewohnerin eigentlich gar nicht auf so eine Situation vorbereitet ist. Besonders ihre Unselbständigkeit und ihre gelegentlichen Panikattacken sind da überhaupt nicht hilfreich.

Zwischendurch erfolgen Rückblicke auf ihr Leben, in dem sie sich von Job zu Job treiben ließ und gerade erst dabei war, sich eine berufliche Existenz und ein Familienleben aufzubauen. Im Wechsel dazu beschreibt sie eindrücklich, wie sie in einer zerfallenden Zivilisation mit den ganzen Toten überlebt und versucht, weitere Überlebende zu finden. 

Im Verlauf des Romans ergeben sich überraschende Entwicklungen, die ich hier nicht vorwegnehmen möchte. Ich fand das Buch sehr gut geschrieben, durch die wechselnde Perspektive auf die Vergangenheit und das Jetzt entsteht ein sehr plastisches Bild unserer Heldin. Ich konnte ich ihre Ängste und Probleme mit der Zeit immer besser nachvollziehen. Gleichzeitig macht sie durch diese Extremsituation eine glaubwürdige Entwicklung durch.
Besonders beeindruckt hat mich die Beschreibung der Situation mit den vielen Toten, in der aktuellen Corona-Situation hat mich das zum Nachdenken gebracht. Klar, der Roman treibt das Szenario auf die Spitze, aber so sicher wie sich mancher fühlen mag, sind wie vielleicht gar nicht?

Von mir eine klare Empfehlung, trotz des sehr düsteren Settings sind wir hier weit vom Horror-Genre entfernt, an der einen oder anderen Stelle lockert Humor und Selbstironie das Geschehen auf und das Hauptthema ist die Entwicklung, die die Heldin durchmacht.

 

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Paolo Cognetti: Das Glück des Wolfes

Geschrieben von Ralph Troppmann am Sonntag, 21. November 2021 in Literatur

Paolo Cognetti: Das Glück des Wolfes. Penguin, München 2021. ISBN 978-3-328-60203-3, 203 Seiten

Der Autor Paolo Cognetti beschreibt in seinem Roman Das Glück des Wolfes eine Episode aus dem Leben  unterschiedlicher Menschen. Die Handlung spielt großteils in der Bergregion um den Monte Rosa in Italien.
Der Schriftsteller Fausto ist in die Bergregion gezogen, um sich nach der Trennung von seiner Frau in der Ruhe und Abgeschiedenheit der Berge wieder auf das Schreiben zu besinnen. Die junge Silvia könnte man unter anderem als Weltenbummlerin bezeichnen, beide arbeiten in der Ski-Saison zufällig im selben Restaurant. Dieses wird betrieben von Babette, die jedoch den Sommer über das Restaurant schließt und ihre eigenen Wege verfolgt.
Zwischen Fausto und Silvia entwickelt sich eine romantische Beziehung, aber auch zu den oftmals rauen Bewohnern des Ortes und überhaupt zu dieser Gebirgsregion entwickelt Fausto ebenfalls eine immer tiefer gehende Beziehung. 

Der Autor schreibt in einem unaufgeregten, leichten und durchaus schönen Stil über die wenigen Hauptpersonen, die alle ihre eigene Geschichte haben und aus unterschiedlichen Gründen an diesen Ort gekommen sind. Die Handlung ist aus meiner Sicht nicht besonders spektakulär, wird aber häufig und stimmig durch Beschreibungen der Landschaft und Natur ergänzt.

Im Rückblick fand ich den Roman sehr angenehm und flüssig zu lesen, es gab wenig überraschende Wendungen. Hier hätte ich mir etwas mehr Tiefe und in insgesamt auch etwas mehr Umfang gewünscht, die gut 200 Seiten waren in zwei Abenden gelesen. Dennoch hat mir das Buch gut getan, ich fand es entspannend und es regt zum Nachdenken an über die Gegensätze von eher schnellem und materiell geprägtem Stadtleben zu jahreszeitlich geprägtem Leben in rauer Natur.

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Robert A. Heinlein: Der Zeitsprung

Geschrieben von Ralph Troppmann am Donnerstag, 4. November 2021 in Literatur

Robert A. Heinlein: Der Zeitsprung. Heyne, München 2016 (1964). ISBN 978-3-453-31627-0, 432 Seiten

Robert Heinlein ist mir aus mehreren Werken schon vertraut, er ist einer der Großen des klassischen Science-Fiction Genres. Sein Buch "Der Zeitsprung" kam ursprünglich 1964 heraus und wurde 2016 von Heyne als ungekürzte Originalfassung erneut herausgegeben, mittlerweile in der zweiten Auflage.

Die Geschichte beginnt in den Vereinigten Staaten zur Zeit des kalten Krieges. Hugh Farnham ist besorgt über die sich zuspitzende politische Lage und hat für sich und seine Familie vorgesorgt: er hat, wie viele zu dieser Zeit, einen Bunker gebaut und mit Vorräten ausgestattet. Als er eines Abends mit seiner Frau, seinen beiden erwachsenen Kindern, einer Freundin und dem Hausangestellten zu Hause beim Kartenspielen sitzt, passiert es: der Atomkrieg bricht aus!

Dank des Bunkers können sich alle im Haus retten, auch wenn einer der Einschläge sehr stark ist. Aus der steigenden Temperatur im Bunker schließen sie, dass an der Oberfläche ein Feuersturm tobt. Nach einiger Zeit schauen sie wieder an die Oberfläche, um festzustellen, dass etwas besonderes passiert sein muss. Außer dem Bunker sind alle anderen Anzeichen von Zivilisation verschwunden, die Natur hat sich die Landschaft zurückerobert.

Die Familie beginnt sich in dieser Situation einzurichten, wobei Hugh als Familienoberhaupt das Kommando übernimmt und ganz im Stil der Zeit durch Wissen und Technik das Überleben ermöglicht. So schaffen sie sich durch Bau eines Staudamms und eines Kanals fließendes Wasser und planen sogar eine Schmiede. Es treten jedoch zunehmend Spannungen und Konflikte zu Tage, etwa die Entfremdung von Hughs alkoholabhängiger Frau Grace oder Rassenkonflikte, die bisher unter der Oberfläche verborgen lagen - Joseph, der Hausangestellte, ist schwarz, die Familie und die Freundin weiß.

Als sich die Situation zuspitzt, kommt unerwartet Kontakt zu anderen Wesen zustande. Genaugenommen sind es Menschen 2000 Jahre in der Zukunft, dahin hat der letzte Bombentreffer die Familie wohl verschlagen. Das Abenteuer setzt sich fort...

Der Roman verbindet gekonnt zwei Themen, die zu der Zeit der 1960er Jahre in den Vereinigten Staaten eine große Bedeutung hatten, den Kalten Krieg und die Rassenkonflikte. Das Atomschlagszenario liefert den Rahmen für eine fesselnde Ausarbeitung der Spannungen in der Familie. Die Begegnung mit den Menschen der Zukunft bietet ein interessantes Feld zur Reflexion der Frage, wie sich zu der Zeit das Zusammenleben von weißen und schwarzen Bevölkerungsgruppen darstellte.
Auch wenn manche Formulierungen und Verhaltensweisen heute etwas aus der Zeit gefallen scheinen, so sind die Themen doch auch zeitlos und auf unsere Gegenwart übertragbar. Das schätze ich an den Klassikern besonders, dass sie oftmals überragende gesellschaftliche Themen aufgreifen und als Utopie oder Dystopie weiterspinnen und dadurch auch gerne mal den Finger in die Wunden der Gegenwart legen.

Heyne nennt den Roman ein "legendäres Science-Fiction-Meisterwerk" - ich schließe mich dem an.

 

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