Höllenfahrt und Achterbahn

Geschrieben von Ralph Troppmann am Sonntag, 19. Juli 2020 in Literatur

Beim Lesen pflege ich die Abwechslung zwischen Kunst, Kultur und Bildung, soll heißen: meist wechseln sich Romane, Sach- und Fachbücher sowie der eine oder andere Klassiker bei mir ab. Hier möchte ich nun eine kleine Rezension zweier Sachbücher wagen - der Vorteil dabei: bei Geschichtsbüchern brauche ich mir keine Sorgen um mögliche Spoiler machen...

Im letzten Sommer hatte ich To Hell And Back von Ian Kershaw gelesen, eine geschichtliche Abhandlung über Europa zwischen 1914 und 1949, in diesem Frühsommer habe ich nun den zweiten Teil Achterbahn über die Jahre ab 1950 in Angriff genommen. Dazu nun ein kurzer Bericht.

Ian Kershaw: To Hell And Back. Europe 1914-1949. Penguin: 2016, 592p. (auch auf deutsch erschienen unter dem Tilel Höllensturz, unschlagbar günstig erhältlich bei der bpb.de)
Sir Ian Kershaw ist ausgewiesener Experte insbesondere für die deutsche Geschichte im Nationalsozialismus und hat schon mehrere Werke darüber veröffentlicht. Hier unternimmt er nun den Versuch, im europäischen Kontext die Zustände und Entwicklungen zu schildern, die zum Ersten und schließlich auch zum Zweiten Weltkrieg führten. Er selbst bezeichnet das im Vorwort als seine bisher schwerste Aufgabe, da es sich um sehr komplexe Probleme handelte. Dabei ist das Ziel, ein auf Basis eigener und fremder Forschungen historisch korrektes Abbild zu schaffen und dies gleichzeitig lesbar und verständlich zu gestalten.
Mehrere Karten Europas aus verschiedenen Jahren helfen, die Veränderung der Grenzen währen dieser Zeiten nachzuvollziehen, zum Teil farbige Abbildungen liefern einen weiteren Eindruck. Leider sind die Abbildungen an zwei Abschnitten im Buch zusammengefasst und nicht direkt im Text referenziert, man sollte daher selbst zwischendurch immer mal wieder dorthin blättern um gerade passende Abbildungen anzusehen.
Das Werk beginnt kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit kurzen Beschreibungen zur damaligen Situation und der nahezu schon zwangsläufigen Entwicklung zum Krieg. Dieser wird in gebotener Kürze beschrieben, um dann dessen Nachwirkungen sowie den Weg zum befristeten Aufschwung danach zu erläutern. Die Wirtschaftskrise und der Aufstieg des Faschismus führen zum nächsten großen Konflikt, dessen Verlauf ebenfalls knapp aber nicht entstellend aufgeführt ist. Es schließen sich die Entwicklungen kurz nach dem Krieg mit der beginnenden bzw. sich bereits verfestigenden Blockbildung ab. Viel mehr möchte ich zum Inhalt gar nicht schreiben, die geschichtlichen Abläufe sollten in Grundzügen bereits bekannt sein.
Was macht dieses Werk nun besonders, im Vergleich zu Dutzenden anderer Büchern über die Zeit der Weltkriege? Für mich sehr gelungen ist die Integration vieler Aspekte und der Blick über ganz Europa. Es behandelt eben nicht nur die militärischen Themen oder bestimmte politische Aspekte, sondern hat (wenn ich das an dieser Stelle strapazieren darf) "das große Ganze" im Blick. Neben der natürlich maßgeblichen Politik kommen auch wirtschaftliche Entwicklungen ins Bild sowie kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen. Das Ganze fokussiert sich auf die Hauptakteure Deutschland, Frankreich, England, Österreich, Italien und Russland, lässt aber auch die weiteren europäischen Länder und Nationen an relevanten Stellen auftreten und vernachlässigt auch die Weltpolitik nicht (ohne etwa USA, später Japan und China wären Verläufe nur unvollständig wiedergegeben und teilweise nicht nachvollziehbar).
Auch wenn das Buch allein durch den Umfang und die vielen parallelen Entwicklungen keine leichte Lektüre ist, so kenne ich kein anderes, das diese Zeit in diesem Rahmen so kompakt und fundiert darstellt. Ein umfangreicher Index und ein Quellenverzeichnis runden das Werk an und unterstützen eigene Vertiefung zu den Themen.

Daran schließt sich nahtlos das zweite Buch an:
Ian Kershaw: Achterbahn. Europa 1950 bis heute. DVA: 2018, 828 S. (im englischen Original: Rollercoaster)
Auf dieses Buch war ich nach dem ersten Teil besonders gespannt, wird doch darin die Entstehung eines (mehr oder weniger) vereinten Europas behandelt, aber auch der kalte Krieg und der Aufschwung des Terrorismus.
Auch hier gab sich der Autor große Mühe, möglichst alle Länder und alle Aspekte des Lebens in Europa in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg so vollständig wie möglich darzustellen und dabei die zentrale Entwicklung nicht aus dem Blick zu verlieren. Auch wenn ich mich zwischendrin immer wieder mal ob der Vielfalt wirklich konzentrieren musste, kann ich dem Autor durchaus bescheinigen, hier gute Arbeit geleistet zu haben.
Der Aufbau ist wieder weitgehend zeitlich orientiert, wobei bestimmte Themen vollständig abgehandelt werden und gelegentlich ein Rücksprung notwendig ist. Viele Namen und Ereignisse erkannte ich aus meiner Kindheit und Jugend in den 1970er bis 1990er Jahren wieder, doch erst durch diese Kontextbildung und die Hintergründe habe ich deren Bedeutung nun vollständig erfasst. Zentrale Punkte sind hier die Bildung des Ostblocks und des westlichen Bündnisses sowie der Beginn und die wechselnde Verschärfung des Kalten Kriegs. Unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen in Westeuropa, besonders der starke Aufschwung Westdeutschlands kommen ausführlich zur Sprache, darauf aufbauend auch die ersten Schritte zu einer europäischen Gemeinschaft. Sehr ausführlich und durchweg nachvollziehbar wird die allmähliche Auflösung der Sowjetunion mit ihren Satellitenstaaten beschrieben, schließlich der "Zusammenbruch" mit dem "Highlight" der deutschen Wiedervereinigung. Schon davor treten erste terroristische Aktivitäten auf, die als neues großes Problem behandelt werden. Parallel fand ein großer Umbruch durch den regionalen Niedergang von Bergbau und Schwerindustrie hin zu Hightech und Dienstleistung statt, die regional entstehenden Separatistenbewegungen sowie die finanziellen und nationalen Auswirkungen einer gemeinsamen Währung bringen weiteren politischen Zündstoff.
Der Weg zur Europäischen Union wird gut skizziert, durch die beschriebene Geschichte lässt sich auch das Zögern bei einer noch engeren politischen Einheit und auch der Austritt Großbritanniens etwas besser verstehen (das Buch endet um 2018, ist also hier noch recht aktuell).
Auch in diesem Buch unterstützen Karten, Abbildungen, ein Index und eine Bibliographie den Leser beim Verstehen und der eventuellen Vertiefung.

Für mich persönlich sind diese beiden Bücher ein Gewinn, trotz mehreren Büchern zu Einzelaspekten habe ich jetzt erst einen guten Gesamtüberblick über viele Entwicklungen und Zusammenhänge bekommen. Ich möchte sie daher empfehlen, auch wenn es kein leichtes Lesevergnügen sein wird.

0 Kommentare Mehr...

Tagebuch eines Killerbots

Geschrieben von Ralph Troppmann am Dienstag, 12. Mai 2020 in Literatur

Martha Wells: Tagebuch eines Killerbots
Heine, München: 2019
ISBN: 978-3-453-32034-5
573 Seiten

Der Titel klingt zunächst sehr futuristisch und martialisch, in der Tat trifft das den Inhalt des Buches zunächst auch einmal ganz gut. Held der Geschichten (das Buch ist aus 4 großen, aufeinander folgenden Kapiteln aufgebaut) ist eine SecUnit in Menschengestalt, die sich selbst ganz gerne als Killerbot bezeichnet. Ihre Aufgabe ist, Menschen zu schützen. Dies tut sie auch hier bei einer Gruppe Wissenschaftler, die sich zu einer Exploration auf einem Planeten befinden und hierbei gleich Bekanntschaft mit der nicht ganz ungefährlichen Fauna machen. Unser Killerbot erfüllt seine Aufgabe sehr gut und wird dabei gerne mal verletzt/beschädigt, was sich aber leicht und schnell heilen/reparieren lässt. Die Doppeldeutigkeit ergibt sich aus der organisch-robotischen Natur der SecUnit, die (wie manche der "augmentierten" Menschen) neben organischem Gewebe auch aus recht viel technischen Komponenten besteht. Dadurch hat sie große Kräfte und kann permanent mit ihrer Umgebung online kommunizieren - was sie mit Menschen übrigens nicht so gerne tut, deren Themen langweilen sie. Im übrigen beschwert sich die SecUnit ganz gerne über den Spartrieb ihrer Firma und ihre minderwertige Ausrüstung, ansonsten verbringt sie ihre Zeit vorzugsweise mit dem Ansehen von TV-Serien.

Als es bei dem Auftrag auf dem Planeten zu Komplikationen kommt, erweist sich die SecUnit ganz ihrer Funktion treu als Retter der Wissenschaftler und kommt diesen dadurch gezwungenermaßen auch "menschlich" näher - was ihr eher nicht so behagt...
Später macht sich die SecUnit auf eigene Wege, was ihr im Gegensatz zu anderen ihrer Artgenossen tatsächlich möglich ist: sie hat eine überwachende Instanz ihrer Programmierung gehackt und damit so etwas wie einen eigenen Willen entwickelt.

Im Verlauf des Buches werden die Tragweite und die Hintergründe der Komplikationen vom Anfang erst deutlich, die SecUnit erlebt dabei einige Abenteuer. Dabei entwickelt sie sich im Kontakt mit Menschen und anderen Bots weiter bis sie am Ende schon fast menschliche Züge zeigt.

Die Schreibweise mit dem recht trockenen Humor und den oftmals unerwarteten Verhaltensweisen und auch der geschilderten Entwicklung gefielen mir sehr gut. Es ist eine flüssige und etwas andere Science Fiction Geschichte, die auch einige gesellschaftliche Aspekte, wie Überwachung und künstliche Intelligenz anschneidet.
Eine erfrischend andere Art Science Fiction, gar nicht so düster wie der Titel andeutet und nach meiner Meinung durchaus empfehlenswert.

0 Kommentare Mehr...

METRO - Die Trilogie

Geschrieben von Ralph Troppmann am Mittwoch, 22. Januar 2020 in Literatur

Dimitry Glukhovsky: Metro, Die Trilogie
Heine, München: 2019
ISBN: 978-3-453-32062-8
1.613 Seiten

An dem Schmöker konnte ich in dem neuen Buchladen einfach nicht vorbeigehen: ein schwarzer Block, über 2 Kilo schwer, massiv gebunden und schlicht-elegant in goldenen Lettern mit dem Titel und einer militärischen Gasmaske bedruckt sowie einem Lesebändchen als Sahnehäubchen - Beginn eines reizvollen Abenteuers...

Den Titel brachte ich noch dunkel mit einem Computerspiel zusammen, von dem ich mal gelesen hatte. Der Rückentext spricht von einer Dystopie, es ist 2033, die Erde von einem Atomkrieg zerstört - endlich mal wieder near future science fiction klassicher Art ohne Zombies - und nur einige Menschen haben in der Moskauer Metro überlebt. Die Trilogie enthält die Bände 2033, 2034 und 2035 sowie Das Evangelium nach Artjom und Das Ende der Straße als zwei exklusive Kurzgeschichten.

Das Setting umfasst die Moskauer Untergrundbahn, wo sich in den verschiedenen Stationen unterschiedlichste Gruppen von Menschen Jahre nach dem Atomkrieg eingerichtet haben und meist mehr schlecht als recht durchschlagen. Die verschiedenen Fraktionen überblickt man gut in dem farbigen Plan, der in den Umschlagseiten abgedruckt ist: Kommunisten, Händler, Gelehrte und das Vierte Reich, um nur einige zu nennen. Die Stationen sind durch die U-Bahnschächte verbunden, wobei nicht mehr alle Wege offenstehen - Zerstörungen oder politische Grenzen verhindern den direkten Weg. Später kommt noch die zerstörte Stadt Moskau dazu.

Unser Held (oder eigentlich Antiheld) Artjom lebt an der Station WDNCh als junger Mann, der als Kind vor der Zerstörung gerettet wurde, bei einem Mann, der die Rolle seines Vaters übernommen hat. Die Station betreibt Pilz- und Schweinezucht um die benötige Währung der Metro zu verdienen: Patronen. Die Welt ist nämlich durchaus archaisch geprägt, durch die Katastrophe sind die meisten Menschen auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse zurückgefallen, Gewalt ist ein nötiges Mittel zum Erhalt der Existenz.

Bei einer unbedachten Aktion mit Freunden wagt Artjom einen eigentlich verbotenen Ausflug an die Oberfläche, die noch stark verstrahlt ist und daher auch allerlei gefährliche, mutierte Wesen beherbergt. Bei der Rückkehr lässt sich das hermetische Tor nicht mehr ganz schließen, was später für mysteriöse Vorkommnisse sorgt. Als ein Stalker erscheint, das sind Menschen, die schwer bewaffnet und in Schutzanzügen die Oberfläche nach nützlichen Dingen durchstreifen, erkennt dieser das Problem und schickt Artjom auf eine Mission, eine Nachricht an jemanden an einer anderen Station zu bringen. Die abenteuerliche Reise mit vielen Wendungen wird im ersten Teil beschrieben, unser Protagonist entwickelt sich und begegnet einigen anderen Menschen, die ihn ein Stück oder auch viel weiter begleiten.

Mehr verrate ich nicht, sonst leidet die Spannung.
Diese Art von Romanen aus russischer Feder finde ich persönlich sehr anregend, da viel unter den Protagonisten diskutiert wird, Ideologien einen höheren Stellenwert als in der üblichen, westlich geprägten Literatur haben und auch eine gewisse, ich nenne es mal "Grundbrutalität" mitschwingt, die den Wert des Individuums gegenüber dem Volk nicht so sehr hoch anrechnet.
Im Verlauf erkennt man durchaus auch Parallelen zum großen Vaterländischen Krieg, aber auch zum kalten Krieg, der selbst und mit seiner Eskalation als globalem Atomkrieg eine wichtige Rolle in diesen Romanen spielt. Das Sowjetsystem und dessen Niedergang und Verdrängung durch Kapitalisten, aber auch der Erzfeind Amerkia wird im späteren Verlauf zitiert und eingearbeitet. Wichtig ist auch das Setting selbst mit der atomar verstrahlten Apokalypse, wer Wasteland oder The Day After kennt, wird verstehen, was ich meine.

Insgesamt ist auch dieses Buch nicht für jede und jeden, es geht manchmal etwas derb zu, wobei sich unser Antiheld gerade zum Ende hin persönlich stark entwickelt. Gerade im dritten Band hatte ich stellenweise den Eindruck, dass auch der Autor mit den Pilzen, die hier überall als Lebensmittel gezüchtet werden, auf die eine oder andere Art etwas zu viel Kontakt hatte... aber das gute dutzend Seiten muss man halt überlesen. Vielleicht steckt darin aber auch eine tiefere Reflektion des Sinns oder Unsinns menschlichen Daseins, wer weiß das schon? Ich kriege auch nicht immer alles mit.

Ein Bestseller wird das nicht, aber für Freunde des Genres durchaus zu empfehlen. Lest einfach mal ein paar Seiten rein, wenn ihr es im Laden findet.

0 Kommentare Mehr...

NSA

Geschrieben von Ralph Troppmann am Sonntag, 5. Januar 2020 in Literatur

Andreas Eschenbach: NSA
Köln, Lübbe: 2018
ISBN: 978-3-7857-2625-9

NSA - Nationales Sicherheits-Amt ist der Titel dieses Buches, das mich völlig überzeugt hat.

Es geht um eine alternative Realität, die aber durchaus plausibel dargestellt wird und sehr realistisch wirkt: die Handlung spielt in der Zeit vor und während des zweiten Weltkriegs in Deutschland. Es gibt bereits ein paar Dinge, die eigentlich erst später weite Verbreitung erfuhren: Komputer, Mobiltelefone und ein Weltnetz. Dies ist das Setting, das gut eingeführt wird und klare Parallelen zu unserer heutigen Situation aufzeigt. Der Autor ist sich nicht zu schade, dieses Spiel mit dem was-wäre-wenn sogar in seine Handlung zu integrieren.

Die beiden Hauptpersonen sind Helene, eine Programmstrickerin (Programmieren ist schließlich Frauenarbeit), und der Analytiker Eugen. Beide arbeiten für das Nationale Sicherheits-Amt, das analog der heutigen NSA die Kommunikation der Bürger überwacht. Während dies anfänglich noch recht harmlos klingt, bekommen die Konsequenzen dieser Fähigkeiten bereits in der Einleitung dramatische Ausmaße - die geschickte Kombination von an sich harmlosen Einzeldaten führt zur Entdeckung versteckter Juden irgendwo im Reich, die daraufhin umgehend verhaftet werden. Nach diesem Vorgriff auf den Verlauf spinnt der Autor seine Geschichte spannend und mit Blick fürs Detail von zuerst harmlosem Geplänkel zu Aktionen mit enormer Tragweite. Man fiebert direkt mit, ob die Personen der Überwachung entkommen können.

Ich habe dieses Buch in zwei Tagen gelesen, so spannend fand ich es! Die Entwicklung verläuft schnell, immer wieder findet man Parallelen zur heutigen Realität. Der Autor baut geschickt Personen und Situationen ein, die man unter anderem aus dem Geschichtsunterricht kennt: NS-Größen wie Himmler, Physiker wie Heisenberg oder Einstein, sogar Hitler kommt vor. Diese Bezüge, aber auch die Bedrohung durch den NS-Apparat, der sich auch die Protagonisten nicht entziehen können, in Verbindung mit ganz aktuellen Themen wie Telekommunikationsüberwachung oder Abschaffung des Bargelds schaffen einen besonders eingänglichen Reiz der definitiv zum Nachdenken anregt. Auch für Nicht-Techniker ist es gut verständlich, das Thema geht ja alle an.

Beide Hauptprotagonisten haben ihr eigenes Geheimnis und für beide nimmt es einen unerwarteten Verlauf. Das Ende enthält eine dramatische Wendung, die aus meiner Sicht etwas weit gegriffen, aber auch nicht völlig realitätsfern ist.

Das Buch stelle ich mit auf jeden Fall dauerhaft ins Regal, gleich neben Cryptonomicon von Neal Stephenson...

0 Kommentare Mehr...

A Song Of Ice And Fire I: A Game Of Thrones

Geschrieben von Ralph Troppmann am Samstag, 10. August 2019 in Literatur

Dies ist ein Zwischenbericht zu meinem neuen Projekt: gute 5.000 Seiten "A Song Of Ice And Fire" von George R. R. Martin.

Wie immer bin ich spät dran, der Hype um die gleichnamige und auf den Büchern basierende HBO-Serie ist eigentlich schon durch. Irgendwie hatte ich mir das geistig als Sword-and-Sorcery abgelegt und war daher zunächst nicht so daran interessiert. Nun, kürzlich fand der jährliche "erste Tag" eines größeren Online-Versandhauses statt und da gab es die komplette Serie in Originalausgabe als Taschenbuch im Schuber für nicht mal 18 Euro, regulär kostet sie aber auch nur knapp 26 Euro. Bei dem resultierenden Seitenpreis kam ich dann doch nicht daran vorbei und wollte dem Ganzen eine Chance geben.

Erst mal zum Äußeren: die Bücher sind klein, dadurch aber sehr handlich und gut geeignet als Reise- und Urlaubslektüre. Das Umschlagmaterial fühlt sich gut an, lediglich auf komplettes, flach liegendes Aufschlagen der Seiten würde ich verzichten, da wird die Bindung irgendwann nachgeben. Der Druck ist zweckmäßig und günstig ausgeführt, was dem Lesen aber keinen Abbruch tut. Englisch ist die Sprache der Bücher, das fand ich persönlich sehr gut zu lesen; es gibt natürlich auch eine deutsche Übersetzung. Gebunden ist das Paket auch erhältlich, dann in 7 Bänden bei sonst gleichem Inhalt.

A Game Of Thrones von George R. R. Martin; Bantam, New York: 2011. 835 Seiten. ISBN 978-0-553-57340-4
Der Aufbau des Buches erfolgt in Kapiteln, die jeweils mit dem Namen des jeweiligen Protagonisten überschrieben sind, aus dessen Sicht das Kapitel geschrieben ist. Dies gefällt mir sehr gut, damit findet man Halt in der sich schnell vielschichtig entspinnenden Geschichte. Die Handlung spielt in einer mittelalterlichen, feudalen Welt mit anfangs nur dezent angedeuteten Fantasy-Elementen. Hier sind hauptsächlich einige Fabelwesen erwähnt, darunter die für die Handlung wichtigen Schattenwölfe, im späteren Verlauf auch Untote und (schamanisch inspirierte) Magie.
Es beginnt in Winterfell, dem Stammsitz des Hauses Stark, im Norden des Kontinents Westeros. Eddard Stark, der Herrscher von Winterfell als einem der sieben Reiche des Kontinents herrscht hier mit seiner Frau und seinen 6 Kindern. Es ist Sommer, der schon mehrere Jahre andauert - eine weitere Besonderheit des Settings, Sommer und Winter dauern mehrere Jahre, die Menschen messen ihr Alter anhand der erlebten Namenstage.
Der König der Reiche Robert Baratheon besucht Winterfell mit seinem Gefolge, er und Eddard Stark sind alte Freunde und Kampfgefährten. Im Verlauf des Besuchs bittet Robert Eddard, ihm als "Hand des Königs" zu dienen, also als Berater, Vertrauter und Vertreter. Die bisherige Hand ist gestorben und Robert fühlt sich nicht wohl bei den ganzen Machtspielen am Hof und sucht daher nach einem Vertrauten. Während des Besuchs wird Eddard Starks Tochter Sansa mit Joffrey verlobt, Sohn von Robert Baratheon. Eddard Stark zögert zuerst, nimmt aber dann doch das Angebot an und reist mit seinen zwei Töchtern an den Königshof nach Kings Landing - auch, um den mysteriösen Tod seines Vorgängers aufzuklären.
Sein Sohn Jon Snow (ein unehelicher, sogenannter Bastard) tritt gleichzeitig seinen Dienst bei der Nachtwache an, einer Organisation, die die Verteidigung der Reiche an der Mauer im Norden gegen die "Anderen" übernommen hat. Wer oder was diese "Anderen" sind, wird im Verlauf des ersten Buches nicht vollständig klar, neben diversen Monstern werden hier vor allem bestimmte Untote beschrieben. Ein gängiger Fluch im Land lautet "Mögen dich die Anderen holen!". Unter den dort herrschenden, sehr rauhen Bedingunden wird Jon zum Bruder der Nachtwache ausgebildet um sein Leben der Verteidiung der Reiche zu widmen.
Sobald Eddard Stark am Hof lebt, wird der Titel des Buches quasi lebendig: es geht um Gewalt, Intrigen und Machtspiele - das Spiel um die Throne. Hier entwickelt sich alles sehr schnell und die Gefahr eines Krieges zieht herauf.
Neben der Entwicklung in den Reichen und an der Mauer baut George Martin einen dritten Haupt-Handlungsstrang auf, der im östlichen Kontinent Essos spielt. Dort leben Viserys und Daenerys Targaryen als letzte Nachkommen von Aerys Targaryen, der von dem aktuellen König Robert Baratheon besiegt wurde. Die beiden Kinder sehen sich als rechtmäßige Herrscher der Reiche und streben nach dem Eisernen Thron, dem Sitz des Königs. Das Wappen des Hauses Targaryen ist ein Drache...

Es fällt mir schwer, einen spannenden Kurzabriss der Handlung zu präsentieren, ohne zu viel vorwegzunehmen, wodurch die Spannung zwangsläufig leiden würde. Daher möchte ich es bei dem Geschriebenen belassen und eher eine allgemeine Bewertung abgeben.
Das Buch ist spannend geschrieben. Es entwickeln sich schnell Abhängigkeiten und Beziehungen zwischen den Handlungssträngen. Für den Leser hilfreich finde ich die Reduzierung auf wenige (in diesem Buch etwa 10) Hauptpersonen, aus deren Sicht das Geschehen beschrieben wird. Dabei entwickelt der Autor die Charaktere sehr detailliert und glaubwürdig, auch die Helden haben ihre Schattenseiten und auch Helden sterben. Sterben ist übrigens ein häufig vorkommendes Thema, ob als Opfer von Intrigen oder im Kampf - das Buch ist nicht so gut für empfindsame Menschen zu empfehlen. Die Tatsache, dass bereits 11-jährige Mädchen verlobt werden und 14-jährige bereits Nachkommen haben, fand ich etwas befremdlich, das ergibt sich wohl aus dem mittelalterlichen Kontext. Im ersten Buch für mich noch beherrschbar, mit den weiteren Bänden aber möglicherweise schwierig zu überblicken ist die Vielzahl der Personen und deren Beziehungen zueinander. Das ist sicher wichtig für den epischen Rahmen der Handlung, aber gerade für Gelegenheitsleser schwer. Dabei hilft der in den Büchern enthaltene Anhang mit allen wichtigen Personen der herrschenden Häuser (knapp 30 Seiten mit Namen, Tätigkeit, Verwandtschaftsbeziehungen, "politischen" Beziehungen etc.). Hier steht Geroge R. R. Martin dem anderen großen Autor einer epischen Fantasy-Saga John R. R. Tolkien in nichts nach, auch für den Herrn der Ringe gibt es ein extra Buch für diese Anhänge.

Meine persönliche Gesamtbewertung nach 1/5 des Song of Ice and Fire: sollte man gelesen haben!

Ich werde dies gelegentlich ergänzen, sobald ich weitere Bücher gelesen habe.

0 Kommentare Mehr...

Westwall

Geschrieben von Ralph Troppmann am Sonntag, 21. Juli 2019 in Literatur

Westwall, Benedikt Gollhardt. Penguin, München: 2019. ISBN 978-3-328-10412-4, Roman, 485 Seiten

Ein Thriller, der dieses Attribut verdient. Eigentlich nicht so mein Genre, aber der Klappentext hat mich neugierig gemacht. Die Hauptperson ist Julia Gerloff, eine Polizeischülerin an der Ausbildungseinrichtung der Kriminalpolizei in Brühl. Sie hat ihre Kindheit mit ihrem Vater in einer Art linker Kommune verbracht, aus dieser Vergangenheit entwickelt sich einer der Handlungsstränge mit ihrem schwer kranken Vater. Ihr Ausbilder Roosen nimmt ebenso eine Art Vaterrolle für sie ein, aber auch er hat Geheimnisse. Und da ist noch der geheimnisvolle Nick, eine Zufallsbekanntschaft, aus der sich irgendwie mehr zu entwickeln scheint. Eine geheimnisvolle Gruppe an meist jugendlichen Menschen verfolgt einen dunklen Plan...

Die Handlung ist packend geschrieben, es gibt viele Winkelzüge und Beteiligte. Wie im Titel schon zu erkennen, spielt sich ein Teil der Handlung mit Bezug auf den Westwall ab, eine riesige Befestigungsanlage an der deutschen Westgrenze aus der Zeit des zweiten Weltkriegs. Doch nicht nur über dieses Bauwerk, auch über die Ideologie einiger Protagonisten wird Bezug zu dieser Zeit genommen. Dies empfand ich stellenweise sogar etwas bedrückt als sehr realistisch, in manchen Passagen werden einzelne Personen aus dem rechts-militanten Lager jedoch nach meinem Geschmack als etwas zu dumpf dargestellt. Im Rückblick fügt sich das meiste aber sehr stimmig zusammen.

Die doch recht vielen Beteiligten, deren Eigenschaften und Motive sind vielseitig und glaubwürdig, im Anhang dankt der Autor vielen Menschen, die zu den verschiedenen Szenen, Behörden, Techniken etc. Input geliefert haben. Auch einige historische Zusammenhänge werden mitgeliefert, allerdings ohne politische Einordnung - auch das überlässt der Autor wie beim Thema des Buches dem Leser. Ich hoffe, dass das auch alle mit genügend Geist und Geschichtsbewusstsein richtig bewerten? Bei dem Themenkomplex bedarf es schon einer feinfühligen Herangehensweise, sicher werden sich auch weniger kritische Leser durch den Titel angezogen fühlen.

Für mich insgesamt eine Empfehlung, wenn auch keine 4 oder 5 Sterne wert. Dazu fehlt mir die tiefere Ausarbeitung der Motive der Hauptdarsteller, das wird zum Teil über bestehende Klischees abgedeckt. Der Autor selbst schreibt am Ende in einem "Interview", dass er genau deswegen über eine Fortsetzung nachdenkt. Warum hat er es denn nicht gleich hier verarbeitet? Ich denke, noch 100-150 Seiten dazu hätten dem Buch nicht geschadet.

0 Kommentare Mehr...

Die Reinsten

Geschrieben von Ralph Troppmann am Sonntag, 23. Juni 2019 in Literatur

Die Reinsten, Thore D. Hansen. Golkonda, München: 2019. ISBN 978-3-946503-90-3, Roman, 424 Seiten

Eve Legrand ist eine Reinste und gehört damit zu einer elitären Gruppe an Menschen. Dazu erwählt wurde sie von Askit, einer künstlichen Intelligenz, die die Geschicke der Menschheit überwacht und steuert. Diese hat es nämlich nicht leicht im Jahre 2191: nach verheerenden Katastrophen ist die Erde verwüstet, der stark fortgeschrittene Treibhauseffekt erlaubt das Überleben nur an wenigen Orten und unter großem Aufwand. Eve stehen schwere Prüfungen bevor, die über ihre Aufnahme in führende Kreise entscheiden. Doch es kommt anders, der vorgezeichnete Weg wandelt sich in etwas viel Größeres...

Ein sehr guter Ansatz, wie ich finde, gerade aktuelle Themen in einem Roman zu verarbeiten. Es geht um Umweltzerstörung, Klimawandel und dessen Folgen. Aber auch um Moral, den Umgang von Eliten mit allen anderen und die Auswirkungen künstlicher Intelligenz. Im Verlauf gewinnen auch Machtstreben, die Wirkung von sozialen Netzen und Visionen wie Raumfahrt oder ewiges Leben eine Bedeutung. Durch die Namen wichtiger, zunächst im Hintergrund wirkender Protagonisten (Elon, Sergei) mag man sich an visionsgetriebene Gründer von realen Techunternehmen erinnert fühlen; ich kann nicht sagen, ob das beabsichtigt ist?

Das Setting ist durchaus realistisch, in Klappentext und Nachwort wird von wissenschaftlichen Hintergründen und Extrapolation gesprochen. Mit der Hauptperson Eve konnte ich mitfühlen. Insgesamt fand ich den Handlungsstrang jedoch nicht perfekt (gegen Ende verwirrten mich die verschiedene Aspekte, ist vielleicht bewusst so geschrieben?), aber dennoch gut lesbar. Leider trüben einige Fehler das Bild (Schreibfehler, an einer Stelle fehlt mindestens ein Absatz), was ich bei einer Übersetzung darauf zurückgeführt hätte - der Autor hat das Werk aber auf deutsch verfasst, somit wohl eher schlampiges Lektorat.

Insgesamt bin ich hin- und hergerissen. Das Thema einer dystopischen Zukunft durch Kriege, Seuchen, Umweltzerstörung und Klimawandel und der Lösungsansatz durch eine nahezu allmächtige KI ist reizvoll und mitreissend. Die Umsetzung hätte für mich noch Potenzial nach oben gehabt, einige Aspekte wie etwa die Beziehung von Eve zu Thyron und Ronan hätten, wenn schon, dann etwas mehr Raum verdient. Stellenweise kam mir der Textfluss fast etwas holprig vor.
Somit Empfehlung für die, die der Themenkomplex anspricht - vielleicht aber auch warten, bis der Roman etwas günstiger als Taschenbuch herauskommt.

0 Kommentare Mehr...

Das Drachenei

Geschrieben von Ralph Troppmann am Donnerstag, 20. Juni 2019 in Literatur

Das Drachenei, Robert L. Forward. Heyne, München: 2012. ISBN: 978-3-453-52985-4. 398 Seiten

"Was wäre, wenn es Leben auf einem Neutronenstern gäbe?" - dieser Untertitel beschreibt treffend, worum es in diesem Roman geht. Am Anfang steht eine kurze Geschichte über einen Neutronenstern, der zufällig in Richtung unseres Sonnensystems wandert. Danach wird jedoch zunächst die Arbeit von Jacqueline Carnot beschrieben, einer jungen Wissenschaftlerin, die für ihre Dissertation unsere Sonne erforscht. In von Satelliten aufgenommenen Signalen sucht sie nach einem weiteren schwarzen Loch in der Sonne, jedoch findet sie ein ungewöhnliches Signal, welches sie mit einigem Aufwand genauer analysiert. Es stellt sich heraus, dass es sich um einen Pulsar (das Drachenei) handelt, der nahe am Sonnensystem vorbeiziehen wird. Es wird eine Expedition ausgerüstet, die in Jahr 2050 zum Drachenei fliegt um es genauer zu untersuchen.

Im zweiten Handlungsstrang wird das Leben und die Evolution der Wesen beschrieben, die auf dem Neutronenstern leben. Durch die Eigenschaften dieser Sterne unterscheiden sich diese deutlich von uns Menschen, schließlich herrschen dort extreme Anziehungskräfte und Magnetfelder. Daher vergeht die Zeit dort auch wesentlich schneller, im Vergleich zu uns etwa eine Million mal schneller.

Es kommt zum Kontakt beider Spezies, was aufgrund der Unterschiede zunächst mühsam vonstatten geht. Doch dann entwickelt sich alles ganz schnell, die Evolution erfolgt in kürzester Zeit. Die beiden Kulturen lernen voneinander...

Mehr möchte ich hier nicht verraten. Das Buch fand ich spannen zu lesen. Das unglaublich originelle Setting wird durch wissenschaftliche Einwürfe plausibel erklärt, ja es gibt sogar einen "wissenschaftlichen Anhang" unter anderem mit Bildtafeln, astronomischen und biologischen Erklärungen, Literaturempfehlungen. Die Beschreibung des Lebens der Wesen auf dem Drachenei lockert das Buch gut auf, es geht also nicht nur um trockene Physik.
Leider ist das schon etwas ältere Werk (Erstausgabe in 1980) als Buch schwierig zu beschaffen, ich habe es über einen Gebraucht-Buchhändler im Internet bekommen; es gibt aber auch eine eBook-Ausgabe.

0 Kommentare Mehr...

Im Zeichen des Raben

Geschrieben von Ralph Troppmann am Freitag, 19. April 2019 in Literatur

Im Zeichen des Raben, Ed McDonald. blanvalet, München: 2019. ISBN: 978-3-7341-6146-9. 474 Seiten

Der Sticker "Das beste Fantasy-Debüt des Jahres!" von Starbust machte mich neugierig - das Jahr ist ja gerade mal 3 Monate alt...
Doch dazu später, womit geht es los? Hauptmann Galharrow ist eine Schwarzschwinge und bestreitet seinen Lebensunterhalt und den seiner Truppe durch Kopfgeldjagd. Die Welt wird recht düster beschrieben, geteilt in eine relativ zivilisierte Gegend und "das Elend". Auf der "bösen" Seite arbeiten höhere Mächte daran, die Menschen zu verwandel und sich Untertan zu machen. Galharrow ist eine der Figuren, durch die die Mächte der "guten" Seite daran wirken, genau dieses Ansinnen zurückzuschlagen.
Die Sprache des Romans ist, sagen wir mal "brutal und/oder direkt", wodurch die Situation der Söldner aber recht plastisch dargestellt wird. Das eigentliche Ziel ergibt sich erst im Verlauf des Romans, durch einige Wendungen bleibt die Spannung durchgehend erhalten. Die Geschichte des Protagonisten und seine Beziehung zu den anderen Personen tritt nach und nach zu Tage, wodurch eine gute Tiefe der Charaktere entsteht.
Die Mischung aus Low-Tech und einer Art Magie (Lichtspinnen) finde ich stimmig, die Handlung und das Umfeld ist neuartig mit thematischen Anleihen von der Inquisition über Highlander bis Mad Max (subjektive Auswahl, da steckt noch mehr drin).

Ich fand es besonders wegen des ungewohnten Settings und des bis zum Ende offenen Plots sehr spannend zu lesen. Da es sich um den ersten Teil einer Trilogie handelt, bin ich gespannt auf die Nachfolgebände.

0 Kommentare Mehr...

Könige der Finsternis

Geschrieben von Ralph Troppmann am Freitag, 19. April 2019 in Literatur

Könige der Finsternis, Nicholas Eames. Heyne, München: 2019. ISBN: 978-3-453-31887-8. 636 Seiten

Charmantes Konzept! Klassischer Fantasyroman mit den üblichen Zutaten: Die Charaktere werden im Verlauf etwas ausgearbeitet, eine Aufgabe (weibliche Person retten) besteht und eine Abenteurergruppe findet sich im Streben nach Ruhm und Ehre zusammen, sammelt Ausrüstung und Verbündete, kämpft im großen Endkampf gegen den Oberbösewicht und am Ende wird alles gut.

So weit, so gut. Doch was macht das Fantasy-Erstlingswerk von Nicholas Eames besonders?
Nun zunächst sind die Helden alle schon etwas gealterte Mitglieder der einst legendären Truppe "Saga". Die damit einhergehenden Probleme sind nicht nur etwas aus der Form gekommene Körper, sondern auch leichte "Ausrüstungsmängel" (einer der Helden musste sein mächtiges, magisches Schwert versetzen). Der Prozess, die Gruppe wieder zusammenzuführen, erinnert mich stark an den Film RED mit den gealterten Agenten. Wie diese können auch unsere Helden hier viel durch Erfahrung ausgleichen und können (meist) den jungen, aufstrebenden Helden zeigen, wo es langgeht.
Fantasy-erfahrene Leser werden sich in der dargestellten Welt mit deren Gefahren und Monstern schnell wiederfinden. Eine weitere Besonderheit ist der oftmals augenzwinkernde und genrebezogene Humor, der sehr passend eingearbeitet ist und mir sehr gut gefällt. Aus meiner Sicht völlig berechtigt werden in den Rezensionen Parallelen zu Terry Pratchet (Scheibenwelt) gezogen, der Stil ist ähnlich.

Es handelt sich nicht um High Fantasy, eher um solides Sword and Sorcery. Durch das besondere Setting mit den gealterten Helden und den humorvollen Stil fand ich es sehr gut und flüssig zu lesen. Manche Szenen gehen mir etwas zu gut oder hätten etwas mehr ausgearbeitet sein können, doch in Summe guter Lesestoff für ein Wochenende.

0 Kommentare Mehr...

Die Auslese

Geschrieben von Ralph Troppmann am Sonntag, 17. März 2019 in Literatur

Die Auslese - Die komplette Trilogie, von Joelle Charbonneau, blanvalet, ISBN 978-3-7341-6184-1

Dieses Buch (einbändige Trilogie) hat mich nachdenklich gemacht, doch dazu später. Zunächst ein kurzer Abriss der Geschichte:

Die Handlung spielt in Nordamerika in einer dystopischen Zukunft, die Zivilisation wurde durch Kriege zerstört, die Erde und das Wasser vergiftet, Mutationen durchstreifen das Land. Malencia Vale lebt in einer kleinen, abgelegenen Kolonie mit ihrer Familie, ihr Vater arbeitet an der Entgiftung und Regeneration der Natur. Sie hat die Schule abgeschlossen und hofft wie viele andere, zum Studium an der Universität der Hauptstadt des Commonwealth ausgewählt zu werden. Als Sie tatsächlich mit drei Freunden ausgewählt wird, berichtet ihr Vater beim Abschied von Albträumen, die er seit seiner Zeit der Auswahl hat. Er gibt ihr den Rat, niemanden zu vertrauen.

Vor dem Studium werden die etwa 100 Auserwählten verschiedener Kolonien auf verschiedene Art getestet, um die für ein Studium an der Universität geeignetsten herauszufinden. Hier zeigt sich bereits, dass diese Auslese hart und gnadenlos wird. Während der Auslese findet Malencia viel über sich und ihre Mitbewerber heraus, Versagen hat ernsthafte Konsequenzen.

An dieser Stelle wird es schwer, weiter ins Detail zu gehen, ohne zu viel von der wirklich spannenden Handlung zu verraten. Das Buch liest sich durch diese ständige Spannung sehr gut und leistet sich keinerlei Längen - eine nicht zu verachtende Leistung bei 1117 Seiten.
Das Hauptmotiv ist die Auswahl einer künftigen Elite, die die Überlebenden der Kriege anführen und die Umweltschäden rückgängig machen soll. Dabei wird zu äußerst drastischen Methoden gegriffen, Bewerber kommen ums Leben. Darin zeigt sich der Konflikt, zu welchen Mitteln man in extremen Situationen greift oder greifen darf, um das Ziel zu erreichen. Dies wird anhand der unterschiedlichen Charaktere dargestellt. Die Heldin selbst kämpft gegen Ende mit sich, ob sie die selben Methoden anwenden darf und muss, wie das System, das sie bekämpft. Die Gegner sind übrigens andere, als sie zu Beginn der Auslese ahnt, hier geht es auch darum, wem man aus welchen Gründen vertrauen kann. Die vielen, teilweise beliebigen Opfer fand ich zunächst befremdlich, doch unterstreicht gerade das im Nachhinein aus meiner Sicht den Konflikt. Der dritte Band/das Ende des Buchs befasst sich viel mit Politik, Täuschung und den Umgang mit denen, die den elitären Anforderungen nicht genügen oder den Anführern schlicht nicht ins Konzept passen.
Das Motiv einer elitären Zentralregierung in der Hauptstadt mit deutlichen Privilegien gegenüber den entfernten Kolonien scheint durch und wird hinterfragt - Malencia findet hier von unerwarteter Seite Gegner, aber auch Unterstützer.

Aus all diesen Aspekten gibt es von mir eine klare Empfehlung, enthält es neben der fesselnden Geschichte mit einem nicht übertrieben und für die Entwicklung wichtigen romantischen Faden doch auch Erfahrungen, Bewertungen und Kritik an der herrschenden Ordnung. Man erlebt die Entwicklung einer jungen Frau von einer Schülerin zu einer unkonventionellen Anführerin.

0 Kommentare Mehr...

Das Imperium der Stille

Geschrieben von Ralph Troppmann am Freitag, 22. Februar 2019 in Literatur

von Christopher Ruocchio, Heyne Verlag

Hammer-Buch! Der Rückentext verspricht eine epische Saga, da bin ich immer erst etwas skeptisch. Aber hier haben die Kritiker Recht, das Buch (immerhin knapp 1000 Seiten) hat mich von Anfang bis Ende gefesselt. Die Welt und Geschichte sind stimmig angelegt, die Hauptcharaktere sehr detailliert ausgearbeitet. Die Story ist innovativ, das Konzept von Paladinen in einem Science Fiction Umfeld spricht mich sehr an, so habe ich das noch nirgends gelesen.

Die Geschichte handelt in ferner Zukunft von einem jungen Mann in einer neofeudalen Gesellschaft. Das Imperium erstreckt sich über die gesamte Galaxie, echte Hochtechnologie ist einer kleinen Gruppe vorbehalten, eine klerikale Organisation treibt ein undurchsichtiges Spiel. Der Held sieht einer vorbestimmten Zukunft in der herrschenden Klasse entgegen, kann sich jedoch schlecht damit identifizieren. Als er nach einem Vorfall eine Karriere als Kleriker beginnen soll, flieht er mit dem Ziel, ein Gelehrter und Entdecker zu werden. Es kommt jedoch ganz anders, er strandet auf einer fremden Welt und kämpft sich (im wahrsten Sinne) vom mittellosen Obdachlosen hoch bis in die höchsten Kreise. Dabei trifft er auf eine Wissenschaftlerin, die einem großen Geheimnis auf der Spur ist. Als es zum Kontakt mit den Außerirdischen kommt, mit denen die Menschheit schon lange im Krieg ist, trifft er eine Entscheidung, die sein Leben und vermutlich auch die Zukunft der Galaxie verändert.

Der Schreibstil ist fesselnd und nie langatmig. Geschickt kombiniert der Autor fantastisch/altertümliche/mittelalterliche Elemente mit einer realistischen Science Fiction Umgebung und spart nicht mit persönlicher und gesellschaftlicher Reflexion des Helden.

Nicht nur für SciFi-Fans, ich warte gespannt auf die Fortsetzung der Sonnenfresser-Saga!

0 Kommentare Mehr...

Seite 5 von 5, insgesamt 72 Einträge

Suche

Nach Einträgen suchen in Ralles personal blog:

Das Gesuchte nicht gefunden? Gib einen Kommentar in einem Eintrag ab oder nimm per E-Mail Kontakt auf!